....an die musste ich heute denken, und schwelgte in Erinnerungen.
"Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste."
Heinrich Heine
Ich habe schon als Kind immer sehr gerne gelesen.
Wenn wir damals in der Grundschule jährlich wieder neue Bücher bekamen, konnte ich es kaum abwarten nach Hause zu kommen und das Deutschbuch in aller Ruhe zu durchstöbern. Ich suchte immer gezielt die Geschichten aus, die dort zwischendurch verteilt waren, und las sie noch am ersten Tag alle durch. Auch liebte ich es, Aufsätze zu schreiben.
Ich besaß selbst keine Bücher. Meine Eltern kannten es überhaupt nicht, dass man seinem Kind außer Schulbücher noch andere Kinderbücher kaufte. Später als junges Mädchen regte sich meine Mutter sogar darüber auf, wenn ich viel gelesen hatte. Für sie war es unnütze Zeitvergeudung, ich solle doch lieber Handarbeit machen, oder "nützlichere, sinnvollere" Dinge tun, sagte sie. Ich nehme ihr es heute nicht mehr übel, sie kannte es nicht anders.
Als mein Bruder, als Jugendlicher, für ein paar Jahre in die Türkei geschickt wurde, damit er
dort zur Schule gehen sollte (warum auch immer) brachte er in den Ferien immer türkische Bücher mit. Ich war ca. 12-13 Jahre alt und freute mich immer sehr über diese Bücher. Sie waren meist von dem türkischen Schriftsteller
Aziz Nesin. Ich habe seine Bücher verschlungen und bin ihm heute noch sehr dankbar. Denn seine Bücher haben viel dazu beigetragen, dass ich heute der türkischen Sprache mächtig bin, und auch mein Humor kommt größtenteils von ihm und seinen Büchern (und von den Karikaturzeitschriften
"Girgir" z.B., Insider werden es noch kennen) . Möge er in Frieden ruh'n...
Später , als ich älter wurde, konnte ich mir endlich selbst Bücher kaufen oder ausleihen.
Ich habe auch immer gerne vorgelesen. Zur richtigen Vorleserin entwickelte ich mich aber erst -wie so viele unter uns- als ich Mutter wurde und mein Sohn ein paar Jahre alt war. Ich kaufte ihm immer altersgerechte Bücher, las ihm viel vor. Ich wollte nicht, dass er diesbezüglich so aufwuchs wie ich. Ich wollte, dass er viele Bücher hatte und viel las; darauf wollte ich ihn vorbereiten, ihn mit der wunderbaren und faszinierenden Welt der Bücher bekanntmachen.
Ich kaufte ihm die schönsten und neuesten Kinderbücher, aber auch Klassiker.
Ich las ihm jeden Abend am Bett vor.
Und als ich anfing zu arbeiten und zum Nachtdienst musste, überlegte ich, was ich machen konnte, damit er abends im Bett nicht auf seine Geschichten verzichten musste.
Ich hatte eine tolle Lösung gefunden! Und zwar , las ich tagsüber an der Stelle, wo wir aufgehört hatten weiter, nahm meine Stimme auf eine Kassette auf und bevor ich zur Arbeit fuhr, brachte ich mein Kind ins Bett, gab ihm den Walkman mit der Kasette darin und setzte ihm die Kopfhörer auf. Somit hörte er trotzdem seine Geschichte weiter, mit meiner Stimme...bis er einschlief.
Was war ich in dem Moment stolz auf mich, als Mutter, für diese Idee!
Jahre später lernte mein Sohn schließlich selber lesen und schreiben, er las seine Bücher selbst.
Ich freute mich, dass er gerne las.
Es waren die 90'er Jahre, ich las zur Zeit sehr begeistert das Buch "Sophies Welt", was ganz aktuell war.
Da sagte ich zu ihm:
-
Weißt du was Erkan? Wenn du etwas älter bist, mindestens 15-16, dann musst du unbedingt dieses Buch auch mal lesen, ich bin mir sicher, dass es dir auch gefallen wird. Bitte vergiss diesen Buchtip nicht, ja?Als er dann in die Pubertät kam, las er überhaupt nicht mehr. Bücher waren uninteressant und lesen uncool.
Ich sorgte mich schon ein wenig, dass er den Draht zu Büchern völlig verlieren könnte.
Irgendwann schließlich, als er ungefähr 17 Jahre alt war, fragte er mich eines Tages:
-
Du Mama... du hattest mir doch vor Jahren ein Buch empfohlen, dass ich unbedingt mal lesen sollte...wie hieß das noch gleich?Ich war überrascht und erfreut zugleich. Er hatte es nicht vergessen!
Ich suchte ihm das Buch sofort raus. Er war begeistert und fragte mich, ob ich von diesem Autor noch andere Bücher hätte. Natürlich hatte ich! Die hat er dann auch noch gelesen, nach und nach, und noch andere Bücher über Philosophie.
Später entschied er sich Philosophie zu studieren, was er nach einigen Semestern abbrach, aus Gründen, und studierte etwas anderes (Politikwissenschaften)
Heute bin ich an diese Zeiten erinnert worden, als ich einen Beitrag von einer türkischen Bloggerfreundin las. Es waren so schöne Erinnerungen...ich wurde aber auch so melancholisch. Wo ist nur die Zeit geblieben?
Wir telefonierten heute mit meinem Sohn, ich freute mich sehr, wieder mal seine Stimme zu hören. Wir kamen auf Bücher zu sprechen und auf dieses Thema...und von der Zeit damals, mit dem Walkman und den Geschichten, von mir vorgelesen. Wir mussten beide schmunzeln. "
Ja Mama" sagte mein Sohn "
...Momo..... Janosch... ich erinnere mich noch genau daran...schön war's..."Ja.... schön war's...
Vielleicht darf ich's ja eines Tages erleben, meinen Enkelkindern vorlesen zu dürfen.
Insallah...